Die neue – alte Remise an der Sägemühle

Rainer Seidl

Ein weiteres imposantes Gebäude rundet das Fachwerkensemble des Naturschutzzentrums Sägemühle seit dem Herbst 2007 ab: die gewaltige Remise. Viele Jahre führte sie in Recke eine Existenz im Dornröschenschlaf, bevor sie zerlegt und hier in Tecklenburg wieder errichtet wurde. Da hatte sie schon eine lange Geschichte hinter sich.

Am nördlichen Ortsrand von Recke, wo sich die Straßen nach Halverde und Voltlage trennen, hatte der Stellmacher Hermann Niehaus, geboren 1906, seine Werkstatt und stellte Speichenräder und hölzerne Wagen als Pferdefuhrwerke für Landwirtschaft und Handel her. 1935 erweiterte er seinen Betrieb um einen nach vorne offenen einstöckigen Holzschuppen, die mehr als 15 Meter lange und etwa sechs Meter hohe Remise. Darin fand nun unten das große Sägegatter Platz, das ganze Baumstämme zu Brettern schneiden konnte. Das Obergeschoss diente als Lager. Noch bis in die siebziger Jahre wurde hier gearbeitet. 2002 starb Stellmacher-Obermeister Hermann Niehaus im Alter von 96 Jahren. Als nun 2005 das Anwesen von seinen Kindern verkauft wurde, musste die Remise weichen, und sein Sohn Reinhold Niehaus, engagierter Naturschützer, schenkte das Gebäude seinem Verein, der Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz Tecklenburger Land. Rainer Seidl, ANTL-Vorstandsmitglied und Lehrer an der Dietrich-Bonhoeffer-Schule in Recke, an der auch Reinhold Niehaus seinen Dienst als Hausmeister verrichtete, stellte ein Team von ehrenamtlichen Helfern zusammen, die Ab- und Aufbau planten. Lothar Huss, Architekt in Ibbenbüren, vermaß das Bauwerk und stellte den Bauantrag in Tecklenburg. Er war bei einer ersten Besichtigung begeistert vom guten Zustand der Konstruktion, hob sie als ein Zeugnis klassischen Zimmermann-Handwerks hervor und hielt den Schuppen als typische westfälische Remise für ein schützenswertes Baudenkmal. Susanne Drok, zeichnete die Pläne, Hubert Imsieke aus Mettingen, seit einigen Jahren Rentner, kennzeichnete als erfahrener Zimmermann alle Balken fachgerecht mit Wachskreide und beaufsichtigte das Zerlegen des gewaltigen Holzgerüstes, denn so Lothar Huss: „Ein falscher Holzträger zur Unzeit entfernt, fällt die gesamte Konstruktion zusammen wie ein Kartenhaus und begräbt die Arbeiter unter sich“. Heinrich Weßling aus Recke dokumentierte die Remise fotografisch bis in den letzten Winkel, damit man beim Aufbau zusätzlich vergleichen konnte, wie alles ursprünglich zusammengepasst hatte. Die eigentlichen Abbrucharbeiten leistete eine Gruppe junger Männer der „Gesellschaft für Arbeits- und Bildungsförderung (GAB)“, einer Einrichtung des Kreises und der Kreishandwerkerschaft, die unter anderem Qualifizierungsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose anbietet. Unter der Aufsicht des Vorarbeiters und Projektleiters Klaus Gausmann wurden innerhalb von zwei Wochen Dachpfannen abgehängt, Bretter gelöst, das Holzgerüst zerlegt und das gesamte Material nach Tecklenburg gebracht. Lediglich den 13 Meter langen Firstbalken wusste niemand zu transportieren. Hier wurde eine Verbindung zum Wasserversorgungsverband Tecklenburger Land (WTL) geknüpft, und der Balken mit einem speziellen langen Rohrwagen zur Sägemühle gebracht.

Dort allerdings lag das Holz länger, als ihm gut tat, wurde immer wieder nass, und mehr und mehr verschwanden die Markierungen.  Die Genehmigungen vor allem der verschiedenen Ebenen des Denkmalschutzes, die zu Beginn nur als kurzfristige Formsache erschienen waren, zogen sich hin. Erst Ende 2006 konnten die Aufbauarbeiten mit dem Auskoffern des Geländes und Erstellen der Fundamente wieder aufgenommen werden. Architekt Werner Lürwer wurde als ehrenamtlicher Helfer für die weitere Bauleitung gewonnen. Den eigentlichen Aufbau des Fachwerks mussten Profis übernehmen. Zimmermann Karl-Heinz Wrocklage aus Mettingen, ANTL-Mitglied seit Jahrzehnten, suchte mit seinem Sohn Balken für Balken aus dem Stapel, fertigte neue Hölzer für fehlende oder verrottete Teile und verband sie kunstvoll und fachgerecht miteinander. Orkan Kyrill erwies sich für den Remisenbau als wirksamer Helfer: Der Sturm warf ein Dutzend Pappeln auf dem ANTL-Gelände um und lieferte damit genau das passende Rohmaterial für die fast vollständig fehlende Verbretterung des Zwischenbodens und der Seiten. In einem letzten Kraftakt vervollständigten Mitglieder der Seniorengruppe die Seitenverkleidung und deckten das Dach. Für die fehlenden Pfannen hatten Mitglieder des Recker Ortsverbandes von Bündnis 90/ Die Grünen in einer Samstagsaktion ein Abrisshaus abgedeckt, das der Westumgehung von Recke gerade weichen musste. So stand die Remise zum Apfelfest am 21. Oktober 2007 zum ersten Mal für eine Veranstaltung in voller Ausdehnung zur Verfügung.