„Mein Freund der Baum ist tot, er fiel im frühen Morgenrot“

Dieses melancholische Lied von Alexandra kommt einem wohl in den Sinn, wenn wieder einmal einer unserer letzten Baumveteranen in Stadt und Land der Säge zum Opfer fällt. „Eiche ist nicht mehr zu retten“ (WN/Lienen 31.05.2011), „Linde an der Marktstraße wird gefällt“ (IVZ/Hopsten 22.02.11), „Aus für dicke Alteiche“ (Ibbenbürener Anzeiger 19.10.11), „Alte Buche muss gefällt werden“ (IVZ/Hörstel 25.01.2012), „Baumfrevler bringt Birke zu Fall“ IVZ/Laggenbeck 14.10.2011), so oder ähnlich lauteten die Überschriften in der Tagespresse, wenn wieder einmal ein langes, geschichtsträchtiges Baumleben zu Ende geht. Nicht bekannt wird in aller Regel das Fällen von alten Bäumen im Privatbesitz und auch ohne vorherige Information der Öffentlichkeit wurde die alte Eiche am Seecafé in Gravenhorst, ehemals Naturdenkmal, durch die Straßenmeisterei NRW gefällt.

Als Grund für das Entfernen öffentlicher Bäume wird in aller Regel die fehlende Verkehrssicherheit genannt, was leider oft als zutreffend akzeptiert werden muss. Fäulen im Stamminneren und trockene Starkäste haben immer eine Ursache, die meistens in Baumaßnahmen zu suchen sind, die 10 bis 30 Jahre zurückliegen. Durch die Erweiterung einer Straße oder durch eine Leitungsverlegung ist der Baum seiner Lebensgrundlage beraubt worden. Ihm wurde ein Großteil der Wurzel genommen und Wunden gerissen, durch die eindringende Pilze ein leichtes Spiel haben. Bäume sind Lebewesen und brauchen einen ihrer Größe und Alter entsprechenden Standraum mit guten Bodenverhältnissen. Wird den Bäumen durch Verdichtung und Versiegelung die Luft zum Atmen genommen, werden diese krank und anfällig für Infektionen. Bei Straßenbäumen kommt alljährlich die winterliche Salzfracht hinzu, mit der unsere Bäume fertig werden müssen. Kein Wunder, dass selbst die stärkste Eiche an derart widrigen Lebensbedingungen zu Grunde geht! Durch entsprechende baumpflegerische Maßnahmen könnte in vielen Fällen die Verkehrssicherheit wieder hergestellt werden und das Baumleben verlängert werden. Das kostet Geld, was sich Behörden und Privatleute oftmals sparen wollen und stattdessen lieber voreilig zur Säge greifen. Anfahrschäden, große Astungswunden, Verstümmelungen, der komplette Verlust der Krone und Giftstoffe sind weitere nachteilige Einwirkungen des Menschen, mit denen Bäume fertig werden müssen. Von Natur aus können viele Baumarten mehrere Hundert Jahre alt werden, ihr Tod kommt nie plötzlich, sondern vollzieht sich über viele Jahrzehnte. Im Laufe seines langen Lebens hat ein Baum einen enorm wichtigen Beitrag zum Klimaschutz geleistet, und auch als alter, kränkelnder Baum tut er dies. Den Schutz des Regenwaldes zu fordern und gleichzeitig die eigenen Bäume ohne triftige Gründe zu beseitigen, passt nicht in das Bild eines aufgeklärten Menschen. Unsere Vorfahren hatten hohe Wertschätzung für Bäume, pflanzten, pflegten und ernteten nachhaltig. Was im Moment geschieht, ist oft Raubbau an der Natur. Straßenbau und Siedlungsbau sowie Planungsbüros gehen rücksichtslos vor, wenn ein Baum im Wege steht, auf den Höfen und in Gärten werden Bäume gefällt oder verstümmelt, um den Stromertrag aus Photovoltaikanlagen zu optimieren und so mancher Baumbesitzer sieht seinen Baum lieber im Kamin als im Herbst das Laub fegen zu müssen. Der Pflege- und Erhaltungszustand der kommunalen Bäume, die in den letzten 50 Jahren gepflanzt worden sind, ist leider im Allgemeinen so schlecht, dass diese Bäume niemals ein biblisches Alter erreichen werden. Wo sind die Naturdenkmale der Zukunft?

Wir müssen uns die Ehrfurcht vor den noch lebenden Zeitzeugen voriger Jahrhunderte bewahren und Sorge tragen, dass der Bestand dieser „Boah-ey-Bäume“ (IVZ, Kreis ST, 18.06.2011) nicht noch weiter zurückgeht, denn mit jedem alten Baum stirbt auch ein Stück Kulturhistorie und für viele Erinnerungen an alte Zeiten. Große Bäume sind Sauerstoffspender, Sonnenkraftwerke, Staubfilter, Wassermanager und ganz einfach Schönheiten in Stadt und Land. Dem Erhalt und Schutz dieser Mitgeschöpfe sind wir alle verpflichtet.